Erfahrungen von Angehörigen

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Es gibt drei Dinge, die wir in der Betreuung unserer demenzkranken Mutter gelernt haben: Geduld, Flexibilität und Kreativität. Und: dass kein Tag dem anderen gleicht. Kaum hatten wir uns auf ein neues Verhalten, eine neue Situation eingestellt, stellte sie uns vor eine weitere Herausforderung. Sei es nun, dass wir alle Spiegel verstecken mussten, weil sie die „alte Frau“ anbrüllte sofort ihr Haus zu verlassen oder wir alle Lebensmittel wegsperrten, weil sie von einer zur anderen Minute vergaß, gegessen zu haben und sich pausenlos Essen zubereitete. Wir verzichteten auch auf ein Gläschen Wein oder Bier zum Abendessen, weil sie erschüttert war, wie wir es nur wagen könnten zum Frühstück schon Alkohol zu trinken. Es nützte überhaupt nichts auf die Uhr zu zeigen oder den Vorhang beiseite zu schieben – ihrem Empfinden nach war jede Mahlzeit das Frühstück. Diskutieren und logisches Argumentieren waren sinnlos. Wir hätten das eigentlich im Angesicht unserer funktionierender Gedächtnisleistung früher merken sollen. Zum Glück half uns eine Angehörigenberaterin zu verstehen, dass nichts was unsere Mutter tat logisch oder absichtlich war. Erst als wir uns ihrer Welt anpassten, konnten wir ihr wirklich helfen und die sinnlosen Schreiduelle und Vorwürfe endeten. So haben wir gelernt „in ihren Schuhen zu gehen“, wie Naomi Feil, eine Demenzexpertin den optimalen Umgang mit Demenzerkrankten beschreibt. Es funktionierte.

„Der Tag, an dem mich mein Mann nicht mehr erkannte und mich aus dem Bett stieß, war der schlimmste meines Lebens. Er schrie mich an und wollte wissen, wo seine Barbara wäre. Barbara war seine Verlobte, die bei einem Unfall starb als die beiden mit 20 heiraten wollten. Mit diesem Schmerz zu leben, dass 40 Jahre unserer Geschichte mit einem Mal weggewischt waren, fällt noch jetzt schwer. Heute erkennt er gar niemanden mehr. Zumindest lässt er aber zu, dass ich seine Hand halten und ihm aus seinen Geschichtsbüchern vorlesen darf. Und tief in meinem Inneren spüre ich, dass er mich immer noch liebt, wenn er mich manchmal ansieht und meine Hand drückt.“

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