Bewältigungsstrategien im Umgang mit Demenz

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Bewältigungsstrategien im Umgang mit Demenz

An Demenz zu erkranken und die Kontrolle über das eigene Leben zu verlieren — davor haben viele Menschen Angst. Bei den meisten Betroffenen ist zu beobachten, dass sie eine ärztliche Diagnose ablehnen, auftretende Defizite überspielen und nicht glauben, überhaupt von Demenz betroffen zu sein.

Zum einen hat dies neurologische Ursachen, da sich Demenz-Erkrankungen durch die Beeinträchtigung bestimmter Gehirnareale auf die Selbstwahrnehmung auswirken und zu einer fehlerhaften Selbsteinschätzung führen können. Zum anderen vermuten Forscher einen psychologischen Schutzmechanismus dahinter: Um mit einer großen Belastung, Stress oder Ängsten umzugehen, die einen überfordern, entwickeln Menschen eigene Verhaltensweisen zur Bewältigung der Situation – in der Psychologie auch „Coping“ genannt.

Coping bei Demenz – Rückzug, Verdrängung, Projektion

Das Coping bei Demenz kann je nach Persönlichkeit und Gewohnheiten individuell unterschiedlich sein. Die einen ziehen sich aus dem Sozialleben zurück, um Situationen zu vermeiden, die sie zu überfordern drohen. Andere entwickeln Abwehrmechanismen, indem sie ihre Schwierigkeiten wie Vergesslichkeit oder Orientierungslosigkeit verleugnen oder verdrängen.

Eine dritte Strategie ist, die Ursachen auftretender Probleme auf Andere oder äußere Umstände zu projizieren, wenn zum Beispiel Betroffene glauben, bestohlen worden zu sein, obwohl sie ihre Geldbörse selbst verlegt haben. Hinter diesen Verhaltensmustern steckt die Angst, die Selbstständigkeit und die Kontrolle über das eigene Leben zu verlieren, stigmatisiert zu werden und letztendlich große Veränderungen wie den Umzug in ein Pflegeheim in Kauf nehmen zu müssen.

Das Coping ist für die Betroffenen ein Selbstschutz, der ihnen erlaubt, ein positives Selbstbild aufrecht zu erhalten: „Was aus der Außensicht als störendes, herausforderndes oder krankes Verhalten bezeichnet oder angesehen wird, kann z. B. für eine Person mit Demenz die einzige in der Situation noch verfügbare Möglichkeit sein, sich als kompetent, kontrollierend oder effektiv zu erleben.“, wie es etwa der Diplom-Psychologe und Arzt für Psychiatrie und Neurologie Dr. Wilhelm Stuhlmann in seinen Büchern beschreibt.

Sensibel vorgehen und individuelle Lösungen finden

Für ein besseres Verständnis und einen leichteren Umgang mit der Erkrankung ist es für Angehörige und Pflegende wichtig, die Bewältigungsstrategien der Betroffenen als solche zu erkennen und zu akzeptieren. Der Vorteil des Copings ist, dass Menschen, die ihre Erkrankung nicht anerkennen, seltener an Angstzuständen und Depressionen leiden. Andererseits sind sie oft weniger motiviert, sich auf eine Therapie oder Behandlung mit Medikamenten einzulassen. Statt Betroffene stetig mit ihren Fehlern und ihrer Vergesslichkeit zu konfrontieren und sie gegen ihren Willen zur Diagnose zwingen zu wollen, sind sensibles Vorgehen und individuelle Lösungen gefragt.

Viele Betroffene lassen sich zum Beispiel leichter von Außenstehenden zu einer Untersuchung motivieren, als von Angehörigen, die das vielleicht schon häufig thematisiert haben. Hat der Betroffene ein gutes Vertrauensverhältnis zum Hausarzt, kann etwa ein Hausbesuch ein erster Schritt sein. Dennoch lässt sich nur durch umfassende Untersuchungen feststellen, ob tatsächlich eine Demenzerkrankung vorliegt, oder ob Symptome wie Vergesslichkeit, Wahrnehmungsstörungen und Orientierungslosigkeit nicht auch eine andere, möglicherweise sogar heilbare Ursache haben könnten (etwa Wechselwirkungen von Medikamenten oder ein Delirium, was zum Beispiel nach Operationen auftreten kann).

Studien haben gezeigt, dass auch die Wortwahl bei der Diagnose eine große Rolle spielt: eine „Kurzzeitgedächtnisstörung“ bei gleichzeitigem Lob des Langzeitgedächtnisses ist weniger beängstigend, als von „Demenz“ zu sprechen, und mit dem Begriff „vaskulärer Demenz“ können sich die meisten Menschen besser arrangieren als mit „Alzheimer“. Darüber hinaus können sich Angehörige auch Tipps und Unterstützung bei einer Beratungsstelle der Alzheimer Selbsthilfe oder der österreichischen Alzheimer Gesellschaft geben lassen.

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