Wie fühlt sich ein Leben mit Demenz an?
Wenn ein Mensch an Alzheimer oder an einer anderen Demenzform erkrankt, ist das schwierig für seine Mitmenschen. Hilfreich ist es, zu erfahren, wie sich die Betroffenen selbst fühlen. Die Familie kann sich dann besser in das Erleben ihrer Verwandten einfühlen und angemessener auf sie reagieren.
Demenz – ein Kompetenzverlust mit Folgen
Unter den Demenzkranken tritt mehrheitlich die Alzheimer Demenz auf. Forscher rechnen heute mit einer Verdoppelung der Betroffenen bis 2050. Für die betroffenen Familien bedeutet der Umgang mit den Erkrankten eine starke Belastung. Auch für die Demenzbetroffenen selbst ist ihre eigene Erkrankung oft stark verunsichernd. Alles, was bisher verlässlich erschien, ist es nun nicht mehr.
Die Veränderungen im Verhalten, im Denken und Fühlen der Betroffenen sind verstörend für beide Seiten. Alles an unserem alltäglichen Streben ist auf das Funktionieren und das gute Aussehen unseres Körpers ausgelegt. Das Alter und die damit einhergehende Gebrechlichkeit werden dadurch schnell zum Feindbild. Die Welt der Demenzkranken wird zunehmend von allen Zusammenhängen und Beziehungspunkten befreit, die bisher Sicherheit und Orientierung geboten haben.
Das eigene Erleben, und die unverständlichen Reaktionen darauf, werden zu einem Chaos, aus dem es kein Entrinnen gibt. Meistens leugnen beide Seiten die ersten Anzeichen einer Demenz. Sie sehen sie als harmloses “Versehen” an. Der Demente ist aber ebenso herausgefordert, sich den weitreichenden Erkrankungsfolgen zu stellen, wie seine Mitwelt.
Wie fühlt sich ein Demenzbetroffener?
Der Verfall der geistigen Fähigkeiten tritt schleichend ein. Besonders frustrierend ist für die Erkrankten, dass sie anfangs ihre Fehlleistungen auf geistiger oder körperlicher Ebene bewusst erleben. An den Reaktionen Erkrankter auf ihre Fehlleistungen lassen sich Angst, Verwirrung, Frustration, Aggression und Depressionen ablesen. Obwohl viele der anfänglichen Ausfälle überspielt werden, ist dem Erkrankten bewusst, dass etwas nicht stimmt.
Noch gravierender ist, dass jeder Betroffene sich den rätselhaften Geschehnissen hilflos und schutzlos ausgeliefert fühlt. Nach und nach büßen die Demenz-Betroffenen ihre Urteilskraft, ihr gutes Gedächtnis, ihre Konzentrationsfähigkeit und ihre motorischen Fähigkeiten ein. Die von Alzheimer Betroffenen sind nicht mehr in der Lage, ihr zunehmendes Versagen zu kompensieren oder zu verstehen. Zuwendung gibt den Betroffenen mehr Sicherheit, als die ständige Korrektur “falscher” Wahrnehmungen.
„Fokung Wirkus“ und andere Verwirrungen
In einem Forschungsprojekt bemühten sich Studenten der “Universität für angewandte Kunst”, durch Objekte wie “Fokung Wirkus” oder das Projekt “Dementia Arts Society” (DAS) ein direktes Nacherleben von Gefühlen zu gewährleisten, wie demenzerkrankte Menschen sie haben können. Der “Fokung Wirkus“ ist ein Taucherhelm-ähnlicher Aufsatz, der über den Kopf gestülpt wird. Die Welt steht nun buchstäblich auf dem Kopf und wirkt verzerrt. Der Träger des “Fokung Wirkus” fühlt sich orientierungslos.
In einem anderen Projekt wurde den überraschten Gästen eines Restaurants Ungewöhnliches serviert – zum Beispiels Toilettenpaper statt der erwarteten Servietten. Durch diesen “Sensual Fake” konnten die Gäste erleben, welche Verwirrungen Demenzkranken das Leben erschweren.
Die Liste der Verluste wächst
Wer seine gewohnten Alltagsaktivitäten nicht mehr ausführen kann, erlebt Scham, Versagensangst und ein verringertes Selbstwertgefühl. Er befürchtet einen kompletten Kontrollverlust. Hilfen lehnt er dennoch ab. Der zunehmende Verlust kommunikativer Fähigkeiten betrifft die eigenen Bedürfnisse und soziale Beziehungen gleichermaßen. Rückzugsverhalten und Ängste sind damit erklärt.
Der zunehmend fehlende Zeitbezug lässt Gegenwart und Vergangenheit verschwimmen. Zunehmend erlebt der Demenzkranke sein eigenes Verhalten oder die Welt anders als alle anderen. Sie leben nun in zwei unterschiedlichen Welten und finden keine Berührungspunkte. Die Verständigung mit den Menschen um sie herum wird unmöglich. Für die Angehörigen ist es schwer, damit umzugehen. Doch das Leben mit Demenz-Patienten kann gelingen, wenn man sich mit ihren Wahrnehmungen befasst und liebevoll auf sie eingeht.